Nördliches Ostpreußen - Kaliningrader Gebiet

Ute Specht, Freitag, 29. 5. - Samstag, 6.6. 2009

Unsere Freunde planten eine Reise nach Ostpreußen zur Spurensuche. Sie luden uns zur Mitfahrt ein, um so eine kleine Gruppe zu bilden. Mit Eduard Politiko vom Adebar-Reiseteam planten sie die Unternehmung. Eduard führte sie auch selbst durch.

Und gleich vorneweg:

Die ganze Reise klappte vorzüglich: Wir waren gut betreut; wir kamen gut miteinander aus, es gab keine gesundheitlichen Probleme, das Wetter spielte mit, die Hotels waren gut, das Programm war in Ordnung, Eduard war zuverlässig und kompetent, - und Annelies fand sogar ihr „Tinkleningken“.

Nach der langen Anreise vom Süden Deutschlands mit Flug ab Düsseldorf, kamen wir am Freitag mit Verspätung, aber während eines wunderschönen Sonnen-untergangs in Königsberg an. Eduard holte uns persönlich vom Flughafen ab.

Nach Tilsit - СОВЕТСК waren dann noch zwei Stunden zu fahren. Erst um 1Uhr (Zeitumstellung +1h) waren wir im Hotel „Rossija“. In Tilsit regnete es. Aber die Fahrt ging schnell herum, denn Eduard erzählte uns schon viel Wissenswertes.

Samstag, 30. Mai: Großes Moosbruch – Elchniederung

Um 10 Uhr holte uns Eduard pünktlich ab. Wir mussten zuerst Geld wechseln, dann Wasser und etwas zum Picknick kaufen.

Heinrichswalde - ϹΛΑΒϹΚ (Slavsk) war unsere erste Station. (An die kyrillische Schrift mussten wir uns auch erst gewöhnen!) Hier gab es früher Wurst- und Käsefabriken (Tilsiter Käse wird im ganzen Gebiet nicht mehr hergestellt, sondern kommt aus Dänemark oder der Schweiz). Die Kirche ist noch erhalten; es findet evang. Gottesdienst im vorderen Teil statt, aber gleichzeitig ist es auch eine riesige Baustelle.

Ab Grünau ging es durch das Moosbruch: viel Wasser rechts und links des Wegs, auch viele Schnaken natürlich, und vor allem noch Urwald mit Erlen, Eschen, Birken, Eichen, Weiden, Espen,.... Das Gebiet liegt teilweise bis zu einem Meter unter dem Meeresspiegel. Eine ehemalige Zugbrücke führt über die Parwe.

Außerhalb des Waldes sind kleine Dörfer, ganz im russischen Stil. Die niedrigen Häuser stehen abseits der Straße, zurückgesetzt; hier wurden Russen angesiedelt. Oft sehen sie von außen ganz ungepflegt aus, können aber innen gut renoviert sein (meist zu erkennen an neuen Fenstern). Man wollte nicht auffallen mit einem schönen Haus, weil die guten Häuser oft beschlagnahmt wurden. Das galt auch für Häuser in den Städten. Aber auch heute sehen sie noch nicht viel besser aus. Nach der Wende in Russland konnten die Häuser oft billig gekauft werden. Für die Innenrenovierung ist jetzt der Besitzer zuständig, aber das Äußere liegt immer noch in den Händen des Staates.

Zurück in Tilsit gingen wir nach einer kurzen Pause noch an die Memel und zur Memelbrücke, der Luisenbrücke, auf der die Grenze zu Litauen verläuft. Auf der Brücke standen viele Autos, die auf die Zollabfertigung warteten. Und sie warteten lange! - Schade, dass man an der Memel nicht überall entlang gehen kann! Ein Industriebetrieb mit riesigen Sandbergen versperrt den Weg. Es ist schön hier Wasser, Wolken, Fischer zu beobachten.

Sonntag, 31. Mai: Elchwald (ohne Elch)

Wieder fuhren wir westwärts aus Tilsit heraus, aber auf einer nördlicheren Straße.

Wir schauten uns die ehemalige Synagoge, heute orthodoxe Kirche an, fuhren am Splitener Mühlenteich (1679: Schlacht zwischen Preußen und Schweden) vorbei, machten einen Halt in Neukirch – ТИМИРЯЗЕВО, wo leider nur noch die Ruinen der Kirche übriggeblieben sind. Dafür gibt es Störche ohne Zahl: auf dem Kirchturm, auf den Kaminen, auf den alten verrosteten Wassertürmen. Sie beleben das Bild!

Die Stadt Kuckerneese – Kaukehmen – ЯСНОЕ war das Zentrum der nördlichen Niederung. Irgendwo sieht man eine Hausfassade mit der alten deutschen Aufschrift eines Kaufhauses.

Oft haben Ortschaften in Ostpreußen drei Namen: einen alten ostpreußischen, einen aus dem „Dritten Reich“ und natürlich einen russischen, der aber ganz wahllos eingesetzt wurde und meist nichts mit der alten Bezeichnung zu tun hat.

Unterwegs findet man auch hier wieder die Reste = Ruinen alter Molkereien und ehemaliger Kolchosen. Manchmal sind die letzteren von den heutigen landwirtschaftlichen Betrieben = Agrarfirmen übernommen worden.

In Karkeln - МЫСОВКА (Mysovka) mit seiner Pontonbrücke über den Karkelstrom machten wir eine kurze Pause und einen Spaziergang bis zum Haff. Nur 2,7 m ist es tief. Ganz in der Ferne kann man die Nehrung erkennen. Stahlblauer weiter Himmel, flaches Land, Wasser, Schilf, Pferde, Kühe und Schafe auf der Weide – das gefiehl uns. Wir waren in Ferien! Im Dorf stehen einige sehr schöne neue Häuser.

Wir fuhren weiter zum Jagdhaus Pait. Da waren wir nun mitten im Elchwald - viel Wald und Wasser mit Iris, Seerosen und Wasserlinsen. Vor 1945 war dieses Gebiet Naturschutzgebiet. Kaiser Wilhelm II und Göring gingen hier zu Jagd. Es war für die Jäger in der ganzen Welt ein Begriff. Das Jagdhaus Pait ist das einzige der ostpreußischen Jagdhäuser, das überlebte. Es ist inzwischen teilweise wiederhergestellt und hat ein kleines Museum und einen schönen Festsaal. Eine russische Stiftung will es zum Zentrum für Ökotourismus ausbauen.

Nächste Station für uns war Inse – ПРИЧАЛЫ (Pričaly), ein weltfernes Fischerdorf, malerisch an der Inse gelegen, über die wieder nur eine Pontonbrücke führt. Jedes Häuschen hat einen Garten mit viel Gemüse und Blumen. Überall leuchtet der Schneeball – КАЛИНА. Die Häuser sind sehr klein, äußerst bescheiden, innen und außen. Toilette? Draußen? Eduard führte uns zu einer sehr lieben Russin. Sie arbeitet auf einer Krankenstation, hatte aber heute für uns ein einfaches Mittagessen zubereitet: Borschtsch - eine Krautsuppe mit Hühnerfleisch (ohne Rote Rüben) und Königsberger Klopse, dazu eingelegtes Gemüse und Gurken, frische Radieschen, Schnittlauch, Petersilie, Kartoffeln - alles aus dem eigenen Garten. Zum Abschluss gab es Tee mit Marmeladebrot. Am Abend zuvor wäre das Häuschen wegen eines Kurzschlusses fast abgebrannt und es hatte noch keinen Strom. Aber obwohl unsere Gastgeberin eingeschränkt arbeiten musste, war es gemütlich, und wir saßen lange in der kleinen Küche, bevor wir dann den großen Garten besichtigten. - Und überall sind Störche!

Auf der Rückfahrt nach Tilsit waren wir alle sehr faul und müde vom guten Essen, nur die schlechten Straßen verhinderten, dass wir alle einschliefen. Wir bewunderten Eduard sehr für seine Kunst im Slalomfahren.

Montag, 1.Juni: Großer Friedrichsgraben

Südwärts ging es heute über Kreuzingen – БОЛЬШАΚОВО (Groß Skaisgirren) und Laukischken - ϹАРРАНϹКОЕ, wo Ännchen von Tharau 36 Jahre als Pfarrfrau lebte, durch eine herrliche Landschaft mit blühendem Flieder, Schneeball und Lupinen und Störchen auf Kirchenruinen, Wassertürmen und Telefonmasten nach Labiau – ПОЛЕССК (Polessk).

Direkt an der Deimebrücke begann unsre Fahrt mit dem Schiff auf dem Großen Friedrichsgraben. Er wurde bereits im 17. Jahrhundert gebaut, um eine sichere Wasserverbindung von Königsberg nach Tilsit zu haben. (Deime – Gr. Friedrichsgraben – Nemonienfluss – Kleiner Friedrichsgraben – Gilge – Memel) Er ist 19 km lang, 2 m tief und bis zu 40 m breit. Wir durchfuhren ihn in ganzer Länge und bogen danach in den Nemonienstrom und später in die Timber ein. Am Graben entlang sieht man einzelne Häuser, später nur noch Wasser und Wald (- und einen Seeadler). Zuerst war der Himmel bedeckt; es war kühl und es fielen einzelne Regentropfen, später kam aber wieder die Sonne und es wurde sehr heiß. Und Eduard fand uns sogar in dieser Wildnis! Iris blühen hier auf großen Flächen.

Kurz vor Tilsit besuchen wir ein neues Nonnenkloster „Hl. Elisabeth“ und in Tilsit die neue orthodoxe Kirche.

Dienstag, 2.Juni: Ragnit – Breitenstein - Insterburg

Wir verließen Tilsit.

Ragnit – НЕМАН war die erste Station. Wir hielten an der riesigen Burg, die leider nur noch eine Ruine ist. Die Ordensburg wurde um 1400 gebaut als Ausgangspunkt der Eroberungszüge gegen Litauen. In der Größe kam sie bald nach der Marienburg. Es bestehen sogar Pläne, sie wieder aufzubauen. Nächster Halt an der Kirche: Sie wurde nicht zerstört, aber in russischer Zeit nicht gebraucht und wurde deshalb unten zu einem Möbelhaus, oben zu Wohnungen umgebaut. Ein Raum wurde jetzt als orthodoxe Kirche geweiht. In einem ganz kleinen Teil auf der Rückseite wurde eine katolische Kirche eingerichtet.

In Untereißeln, einem bekannten Ausflugsziel, machten wir einen Spaziergang an der Memel: weites Land, großer Himmel, schöne Wolken, gutes Wetter – Urlaub. Die Memel ist Grenze zu Litauen. Man könnte rüberschwimmen. Zum Glück ist das heute nicht mehr nötig.

Die Landschaft um die Scheschuppe (= 6.Fluss) – ШЕШУПЕ ist weit, mit großem Himmel darüber, fast unbewohnt. Das kennen wir kaum mehr!

Kraupischken – Breitenstein - УЛЬЯНОВО: Die Kirche steht nur als Ruine, aber bewohnt von Störchen. Trotz Ferien konnten wir die dortige Schule besuchen, weil einige Schüler gerade ihre Prüfungen machten. Und vor allem weil hier Juri Userzow, der Rektor, sein Museum eingerichtet hat. Er versucht mit großem Fleiß und Einsatz Namen und Geschichte von ostpreußischen Familien zusammen zu bringen, sammelt, was aus alter Zeit noch aufzutreiben ist und pflegt Kontakte nach allen Richtungen.

Weiter fuhren wir der Inster entlang, im sehr breiten Tal der Urmemel, das häufig überschwemmt wird, bis zur Georgenburg: In der wieder gut hergerichteten Anlage ist ein Gestüt und ein teures Hotel untergebracht. Hier treffen sich jetzt die Pferdefreunde (In Trakehnen ist ja nichts mehr los.). Gebaut wurde die Burg im 13. Jahrhundert als Bischofssitz, schon damals mit Gestüt.

In Insterburg – ЧЕРНЯХОВСК (Černjachovsk) machten wir zuerst wieder eine erfolgreiche Rundfahrt zur Spurensuche. Kaum waren wir dann aber in unserem Hotel „Zum Bären“angekommen, brach ein gewaltiges Gewitter los, so dass wir kaum Gelegenheit zum Bummeln hatten. Da aber der ganze Tag so schön war, waren wir nicht sehr traurig, zumal es auch stark abgekühlt hatte. Wir ließen uns vom Koch verwöhnen und unterhalten; es war fast familiär!

Manchmal stammen die Straßennamen noch aus deutscher Zeit: unser Hotel steht zB. in der Tunnelstraße – цл.ТОННЕЛЬНАЯ.

In Insterburg gibt es kaum Industrie, wie es überhaupt kaum Arbeit in den ländlichen Gebieten gibt. Nur Königsberg scheint eine Ausnahme zu sein, weshalb es viele junge Leute dorthin zieht und die Dörfer veröden.

Mittwoch, 3.Juni: Rominter Heide

Einmal ein richtiger Landregen! Davon ließen wir uns aber nicht abschrecken. Es ging ostwärts bis fast an die polnische Grenze.

In Angerapp – Darkehmen – ОЗЕРСК wurde 1886 die erste elektrische Straßen-beleuchtung Deutschlands eingeführt. Nach Kriegsende wurde nicht so viel zerstört, deshalb findet man noch einige alte Häuser, die inzwischen auch renoviert wurden. Angerapp hat einen auffallend großen Marktplatz.

Wir fuhren nun in die Rominter Heide, ein großes hügeliges Waldgebiet. Die „große Wildnis“ wurde immer geschont, weil sie in der Kolonisationszeit einen natürlichen Schutz gegen Litauen und Polen bildete. Man sollte eigentlich wandern, aber wegen des Regens lockte das nicht so sehr. So besuchten wir in Groß Rominten einen Holzschnitzer und deckten uns mit Holz-Elchen ein, wenn wir schon keine echten zu Gesicht bekamen.

Danach fuhren wir nach Warnen - ОЗЕРКИ. Die ehemalige Oberförsterei wurde zu einem Gästehaus umgebaut. Sie bietet freundliche Zimmer und Ferienwohnungen. Wer Ruhe sucht, ist hier gut aufgehoben. Wir bekamen dort ein feines Mittagessen: eine Pilzsuppe (mit Kartoffeln, Nudeln, Pilzen, Möhren,…) (Zur Suppe essen die Russen immer Brot) und danach köstliche Flinsen: gefüllte Pfannkuchen (mit Hackfleisch und Zwiebeln oder süß mit Quark), dazu viel Sauerrahm und dünne Kirschenmarmelade, Obstsaft, Schnaps. Für die schlanke Linie war das gerade nicht! Dafür gut!!

In Tollmingen – Tollmingkehmen – ЧИСТЫЕ ПРУДЫ (Čistye Prudy) besuchten wir. nur die Kirche, in der für Christian Donalitius – Donelaitis, einem litauischen Dichter, der hier lange Pfarrer war und auch hier starb, ein kleines Museum eingerichtet wurde.

Trakehnen hat keine Pferde mehr. Nur viele Hühner und eine Kätzchen begrüßten uns. Im 18. Jahrhundert ließ König Friedrich Wilhelm I. die Anlage errichten. Kanäle wurden in der Pissa-Niederung gebaut, das Land entwässert, eine fruchtbare Weide-landschaft erblühte, Bauernhäuser und Wohnungen für die königlichen Beamten entstanden. Heute ist von der ganzen Pracht nicht mehr viel zu sehen.

Gumbinnen – ГУСЕВ ist eine lebhafte Stadt. Sie ist schon viel besser wieder hergerichtet als andere Orte. Es gibt noch einige alte Gebäude, viele sind renoviert, zB. die „Neue Regierung“ von 1911. Auch der Gumbinner Elch ist von Kaliningrad wieder zurück geholt worden. Ein schönes Geländer ist an der Brücke über die Pissa.

Eine wichtige evangelische Kirche ist die „Salzburger Kirche“. Sie geht zurück auf Salzburger Protestanten, die wegen ihres Glaubens vertrieben wurden. Auch aus anderen Gebieten wurden Glaubensflüchtlinge nach der Pest hier angesiedelt.

Auf der Weiterfahrt: Rapsfelder. Er wird exportiert und in Polen oder Deutschland weiter verarbeitet, weil es hier noch keine Fabriken dafür gibt.

Donnerstag, 4.Juni: Königsberg

Weiter, westwärts. Im Urtal der Memel fließt heute der Pregel. Sand- und Kiesgruben sind zu sehen, Baggerseen, ganze Lupinenfelder, wo nicht bewirtschaftet wird, aber auch Getreide- und wieder Rapsfelder.

In Tapiau - ГВАРДЕЍСК (Gvardejsk) steht die alte Burg noch, weil sie immer genutzt wurde, als Gefängnis, als Irrrenanstalt, als Blindenanstalt. Es ist auch geplant, für Louis Corinth, der in Tapiau geboren ist, eine Gedenkstätte zu errichten.

In der Ferne, schon nahe Kaliningrad sieht man jetzt die Erdölfördertürme. Das Erdöl ist hier zwar vorhanden, aber keine Möglichkeit zur Verarbeitung. Die Raffinerien stehen in Litauen, das ja vorher wie Königsberg auch zur UDSSR gehörte. Jetzt müssen also die Russen das Öl nach Litauen schicken und wieder teuer zurück-kaufen. Es gibt auch ein Kraftwerk mit Gas, das aus Sibirien kommt.

Wir erreichten Königsberg - КАЛИНИНГРАД, eine Stadt mit ca. 500 000 Ein-wohnern. Hier konnte man den Bauboom der letzten Jahre sehen. Die Wohnungen sind inzwischen aber auch etwa so teuer wie bei uns. Gleich am Anfang steht das Symbol für Königsberg: drei Anker, weil die Stadt Zugang zu drei Gewässern hat (Ostsee, Frisches Haff, Kurisches Haff).

Wir fuhren durch das Brandenburger Tor, das wie die anderen noch erhaltenen Tore, und viele alte Gebäude mit Backsteinen gebaut wurde.

Der Südbahnhof von 1929 wurde für die Feiern zum Jahrestag der Kaliningradskaja Oblast und zum 750. Gründungstag Königsbergs 2005 renoviert. Ein Kronleuchter hängt in der Eingangshalle! Die Uhr im Bahnhof zeigt wie alle Uhren in Russlands Bahnhöfen Moskauer Zeit (hier + 1 Std.)!

Vor der Dominsel machten wir einen längeren Halt. Über die Honigbrücke, die einzige erhaltene der ehemaligen fünf Brücken zur Dominsel, dem früheren Kneiphof, kamen wir zum Dom, der aber seinem Namen keine Ehre mehr macht. Im Laufe der Jahrhunderte hatte er eine sehr wechselvolle Geschichte mit Zerstörungen, Um- und Ausbauten. Heute ist das Kirchenschiff Konzertsaal und nur zu Konzerten geöffnet. (Schade, dass wir das nicht vorher wussten. Heute hätte ein kleines Konzert stattgefunden. Wir hätten nur unseren Besichtigungsplan in Königsberg umstellen müssen.) Im Erdgeschoss der Türme befindet sich links eine orthodoxe und rechts eine evangelische Kirche, im Obergeschoss ein Kantmuseum, das wir aber nicht besuchten.

Erst 1724 wurden die drei Teilstädte Altstadt, Kneiphof (=Insel) und Löbenicht zur Stadt Königsberg vereinigt.

Die erste protestantische Universität wurde beim Dom 1544 von Herzog Albrecht gegründet. Heute steht dort nur noch sein Denkmal.

Gegenüber an der Ostwand des Doms ist die Kant-Grabstätte.

Zwischen einer wiederhergestellten schönen Häuserzeile am Pregel, dem Dom gegenüber, steht noch ein Leuchtturm. Dort im Café gab es eine wunderbare Trinkschokolade.

Danach ging die Stadtrundfahrt weiter: Kreuzkirche, Universität, Kantdenkmal.

Am Königstor, das auch zum Jubiläum restauriert wurde (den drei Figuren Ottokar von Böhmen, König Friedrich I und Herzog Albrecht setzte man die Köpfe wieder auf), den Kasematten Grolmann, dem Rossgärter Tor fuhren wir vorbei und erreichten dann das Bernsteinmuseum im Dohnaturm vor dem Oberteich. Viel Schönes gibt es da zu sehen: Nicht nur Schmuck wird gezeigt, sondern auch andere Dinge, die aus Bernstein hergestellt wurden. Auf Bildern sieht man auch den Abbau des Bernsteins mit großen Maschinen an der Westküste des Samlandes.

Noch einen weiteren Halt gab es dann am Zentralplatz – ПЛ. РОВЕДЫ. Hier an diesem großen Platz, der schon viele verschiedene Namen trug (Siegesplatz, Adolf Hitler-Platz, Hansaplatz), pulsiert das Leben. Hier befindet sich das Rathaus von 1927, der ehemaligen Nordbahnhof (Cranzer Bahnhof) und auch die Kaufhäuser und die neuen Einkaufszentren, manche noch nicht einmal eingeweiht. Hier steht auch die neue große orthodoxe Kirche mit goldenen Kuppeln, daneben noch ganz bescheiden die kleine alte Holzkirche, die aber gut besucht wird.

Wir bummelten noch ein wenig, fuhren dann aber bald weiter, zuerst westwärts, durch auch heute noch bevorzugte Wohngebiete (Hufen, Amalienau). Die gepflegten Villen zeigen die vornehme Lage. Parks, Zoo, Theater, vornehme Hotels ergänzen das Bild.

Dann ging es aber nordwärts. Schrebergärten mit Datschas gibt es auch hier und später, weiter draußen viel unbebautes Land, für uns oft wunderschön, weil ganz blau durch die vielen Lupinen mit einem weiten Himmel darüber. Eine Autobahn zum Flughafen ist im Bau.

In Rauschen – СВЕТЛОГОРСК (=heller Berg) waren wir untergebracht im Hotel Universal, das ganz neu ist, aber auch etwas unpersönlich. Und nur an der Rezeption spricht jemand Deutsch. Das Frühstück ist kein Büfett, deshalb gab es manche Missverständnisse. Aber noch zwei Tage mehr in Russland, dann hätten auch wir gewusst, was „Milch“ oder „Zucker“ auf russisch heißt!

Rauschen war ein bekanntes und beliebtes Seebad, auch in russischer Zeit, und ist es bis heute geblieben. Dadurch findet man noch einige alte schöne Holzhäuser neben den Neubauten. Es gibt viel Grün, die Häuser stehen meist in großen Gärten. Die Bahn von Kaliningrad fährt bis hierher. Der Bahnhof ist ganz neu. Neu ist die Uferpromenade mit Hotels und Restaurants und einer breiten Treppe ins Zentrum.

In einem КАФЕ, einem kleinen Restaurant, an der Straße zur Ostsee hinunter, aßen wir zu Abend (mit deutscher Speisekarte und deutsch sprechender Bedienung!). Leider saßen wir direkt neben der Musik, die zwar gut aber sehr laut war, so dass man sich nicht mehr unterhalten konnte. Danach hatten wir noch lange Zeit zum Spazieren am Meer. Am Strand gab es Unmengen von Maikäfern. Wir blieben, bis die Sonne ganz rot im Meer unterging (erst ~ 22 Uhr).

Freitag, 5.Juni: Kurische Nehrung und Vogelwarte

Durch ein fruchtbares Siedlungsgebiet (bereits seit der Jungsteinzeit, später der Pruzzen und Wikinger) erreichten wir die Kurische Nehrung, diesen schmalen Landstreifen zwischen Ostsee und Haff. (Die Kuren waren ein ostbaltischer Volksstamm. Sie verschmolzen mit den deutschen Einwanderern nach der Eroberung durch die Ordensritter.) Die Nehrung ist eigentlich eine lange Kette von Sandhügeln, die wachsen und auch wieder abgetragen werden, wenn sie nicht befestigt sind. Zwischen 1350 und 1770 wurde der Wald, der sich gebildet hatte, gerodet. Dadurch entstanden Wanderdünen, die ganze Dörfer unter sich begruben. Vom 19. Jahrh. an versuchte man mit verschiedenen Methoden das Land zu befestigen. Es gab ein Weideverbot und Wildtiere wurden geschossen, um keinen Verbiss zu haben. Seit 1937 ist die Nehrung ein Nationalpark. Der Wald hat sich wieder erholt, es gibt wieder Wild, und obwohl die Nehrung an der schmalsten Stelle nur 400 m breit ist, sieht man von der Straße aus fast nie Wasser.

In Rossitten - РЫВАЧИЍ (Rybačij), einem kleinen Fischerdorf, weiß Eduard einen Ort, an dem man geräucherten Fisch kaufen kann. Wir suchten uns Verschiedenes aus. Was es war, wussten wir nicht, aber es schmeckte, zumal Eduard uns auch noch Brot dazu kaufte (an einer anderen Stelle). Gestärkt fuhren wir zum „tanzenden Wald“, Bäumen, die seltsam verschlungen nur an dieser Stelle wachsen. Warum, weiß keiner. Ein ökologischer Pfad auf Holzbohlen führt hindurch.

Wir fuhren weiter zu einem Parkplatz, von dem aus wir sowohl Richtung Haff, als auch an die Ostsee gehen konnten. Wir stiegen zuerst ostwärts auf einem Weg der teilweise wieder auf Bohlen geführt wird, hinauf auf den Altdorfer Berg (immerhin etwa 60 m hoch), die „Ephas-Düne“, mit zwei Aussichtspunkten. Bei diesem schönen Wetter, nur der Wind ist ziemlich frisch, hatten wir eine herrliche Sicht auf das Haff, auf die Nehrung nach Norden und Süden, auf die vielen Dünen, die immer wieder die angepflanzten Hecken zudecken. Auf der anderen Seite dann an der See, waren wir voll im Wind. Auch hier teilweise ein Bretterweg, um die empfindliche Vegetation vor Errosion zu schützen. Einmal wollte ich wenigstens mit den Füßen ins Wasser. Es war aber ziemlich kalt; freiwillig ginge ich nicht weiter hinein!

Ein besonderes Erlebnis ist der Besuch der Vogelwarte „Fringilla“ bei km 23 (Nur mit der Kilometerangabe kann man sich auf der Nehrungsstraße orientieren, denn man sieht beim Fahren links und rechts immer nur Wald). Fringilla ist der lateinische Name des Buchfinks, der hier am meisten beringt wird. Bei einer kleinen Führung werden uns die Netze gezeigt, in denen die Vögel gefangen werden, es werden zwei Vögel beringt, gewogen, gemessen, notiert, und dann gleich wieder freigelassen. Die Vögel fliegen meist keine großen Strecken übers Meer; sie nehmen lieber die Nehrung als Zugstraße, sowohl nach Süden wie auch wieder zurück. Deshalb gibt es auch Netze für beide Richtungen (mehr als 20m hoch). Zum Andenken und als Spende kauften wir Steine, die mit verschiedenen Vögeln bemalt waren.

In Sarkau - ЛЕСНОЍ (Lesnoj) beschlossen wir die Reise mit Eduard in einem wunderschönen Café direkt über der Ostsee, mit herrlichem Blick auf Wasser, Wellen und Wolken (Zum Glück in einem geschlossenen Raum mit viel Glas: Der Wind hatte sich noch verstärkt!).

Samstag, 6.Juni: Heimreise

Heute ein anderer Reiseleiter: Valerie holte uns pünktlich ab, und Eduard versicherte sich telefonisch, dass wir unterwegs waren. Noch einmal die Fahrt durchs Samland mit blühenden Feldern, mit Störchen, weitem Himmel, Wolken und Sonne.

Danach ein schöner Flug: Wir sehen das Haff und die Nehrung von oben, fliegen genau über Rauschen und entlang der Ostseeküste, bis wir in Wolken schweben und bei Regen in Düsseldorf ankommen.