Hat man den Weg in das verträumte kleine Nest Iljatschowo gefunden, begrüßt einen schon von der Allee her am ehemaligen Gasthaus Tollkühn, heute ein Magazin, der Wegweiser zur Alten Dorfschule. Wenige Schritte weiter steht man dann vor diesem weißgetünchten geduckten Gebäude mit seinem überwältigend weitläufigen Schulgarten mit den alten Obstbäumen aus deutscher Zeit.
Hier ist das Reich von Inessa Saweljewna Natalich, der Tochter der Deutschlehrerin Ewgenija Smirnowa, die in dem 1890 erbauten Schulhaus unterrichtete. Nachdem das Gebäude seit 1990 leer stand und zusehends verfiel, erwarb es Inessa. Nach Jahren des intensiven Forschens und Gesprächen mit den älteren Bewohnern des Ortes - den Neusiedlern ab 1946 und dem Austausch mit ehemaligen deutschen Bewohnern bzw. deren Nachkommen konnte sie dank einer Förderung auf der Grundlage ihres Archives in 2012 das Museum Alte Dorfschule eröffnen.
In diesem bis ins kleinste Detail authentisch und liebevoll ausgestaltetem Museum mit Relikten aus deutscher und russischer Schulgeschichte lebt nicht nur die Geschichte des kleinen Ortes neu auf, es ist zu einem Synonym für oral history geworden. So mancher Besucher findet hier Bezugspunkte zu seiner eigenen Familie, sei es eine deutsche oder eine russische. Inzwischen ist das kleine Museum zum Anziehungspunkt für Besucher weit über die Region hinaus geworden und in der Folge sind aus dem reichen Fundus des Archivs von Inessa zwei bewegende Bücher entstanden, voller authentischer Geschichten über eine schwere Zeit. Dank einer Förderung aus Moskau entstanden darüber hinaus zwei Filme zu diesem Themenkreis.
So ist dieses kleine Museum heute zweierlei - ein wichtiger Bezugspunkt für die heutigen Bewohner, wenn es um die Geschichte ihres kleinen Ortes geht und gleichzeitig ein Anziehungspunkt für Gäste aus der Region, aus Zentralrussland und nicht zuletzt aus Deutschland.
In diesem Museum geht es nicht um die große Geschichte, es geht um die Kinder, um Kindheit in verschiedenen Kulturen und Zeiten. Im weitesten also auch um Frieden und Völkerverständigung. Dies spüren auch die Besucher des Museums. Man fühlt sich unmittelbar gut aufgehoben und wenn Inessa dann im alten Schulgarten die Gäste mit selbstgebackenem Kuchen bewirtet, fühlt man sich für eine kleine Weile zurückversetzt in eine wunderbar heile Welt - die es so natürlich nie gegeben hat.
Im Rahmen der Fortentwicklung des Projektes VON KÜSTE ZU KÜSTE gibt es Überlegungen, das Dorf Iljitschowo als Schwerpunkt eines Pilotprojektes zur Entwicklung dezentraler Strukturen im touristischen Bereich zu fördern. Dieses würde dann über die Bewohner des Ortes hinaus auf die umliegende Region ausstrahlen.
Die ALTE DORFSCHULE WALDWINKEL wäre dann der natürliche zentrale Treffpunkt dieses Geschehens.